Eine Geschichte von unserer Freundin Sylvia Lietsch aus Eibau

Fast scheint es, als würde er mich rufen.Farn gespiegelt

Der Wurmfarm, vor einigen Wochen noch ein undefinierbarer Hügel auf meiner Wiese. Ich stand davor und dachte, der späte Frost hätte ihm den Garaus gemacht. Aber nach dem Regen und den immer wärmer werdenden Sonnenstrahlen, rollten sich doch die ersten grünen Spitzen hervor. Zu Pfingsten konkurrierte er mit der Pfingstrose um den besten Platz an der Sonne und mit den bunten Akeleiblüten um meine Aufmerksamkeit. Nun, nachdem die üppige Blütenpracht der Rosen längst der Vergänglichkeit der Natur zum Opfer gefallen ist und die verblühten Akeleien im Heu untergegangen sind, ist er der Blickfang unter dem alten Kirschbaum.

Heute, am Tag der Sommersonnenwende, scheint er nach mir zu rufen. Dieser Eingebung folgend setze ich mich im Schatten des Baumes zwischen zwei dieser Farnstauden. Versteckt unter wild ausgetriebenen, tiefhängenden Ästen des alten Baumes, mit dem Rücken angelehnt an seinen knorrigen Stamm, lasse ich mich gefangen nehmen von einer seltsam kühlen, mystischen Atmosphäre.

Fotos: Sylvia Lietsch

 

Ich suche in meinen Gedankenschubladen nach Informationen zum Wurmfarn, werde aber nicht fündig. Nur wage kann ich mich an Dioskurides erinnern und nehme mir vor, später dort nachzulesen. Auch glaube ich, gelesen oder gehört zu haben, dass der Farn Bestandteil von geheimen Abführmitteln gewesen war und die Inhaltsstoffe seiner Wurzeln gegen Darmparasiten verwendet wurden. Nicht wirklich viel Wissen über dieses prachtvoll in der Sonne leuchtende Gewächs, stelle ich fest. Aber - wie so oft, wenn mich eine Pflanze meiner kleinen Gartenwildnis ruft, versuche ich auch heute zu ergründen, was mir der Farn verraten will.

Neben meinem Bein krabbelt eine Ameise über die gefiederten Blätter eines am Boden liegenden Farnwedels. Ich ignoriere das schwarze Krabbeltier, von denen es bestimmt noch viele mehr gibt und schließe meine Augen. Ich atme den warmen Duft von Erde und gemähtem Gras, höre, wie über mir die Meisen zwischen den Blättern flattern und ihr aufgeregtes Zwitschern. Mir scheint, als sei ich ein Störenfried in ihrem Revier?

Noch immer fühle ich den knorrigen Stamm des Kirschbaumes in meinem Rücken. Ein Windstoß fegt den Duft des Heus davon. Ich spüre das Bedürfnis, mich aufzurichten, den Rücken zu strecken und Wirbel für Wirbel aufzurichten. Dabei schaue ich auf den Farn und sehe, dass sich ein Wedel wie eine Brücke über meine Beine gelegt hat. Die Ameise (oder ist es schon eine andere?) läuft darüber hinweg. Ich verfolge sie mit meinem Blick, der am Wurzelstock endet. Dort entdecke ich ein kleines Farnblatt, noch zart und eingerollt, beschützt von all den großen Wedeln, die bereits hoch aufgerichtet sind. Und da erinnere ich mich: Hatte meine Großmutter nicht so viel über den Wurmfarn erzählt? Hatte sie ihn nicht auch Johanniswurz genannt und berichtet, dass er in der Nacht der Sommersonnenwende unsichtbar machen könne, dass er allen, die noch an Wunder glauben, auch Wunder beschert? Sie hatte ebenfalls behauptet, dass er Glück bringt und für Reichtum und Fülle sorgt und dass seine Sporen etwas ganz Besonderes sind. Und sie hatte mir geraten, zum Farn zu gehen, wenn ich traurig war, wenn ich mich klein und verlassen fühlte.
Ich entsann mich, wie ich es als Kind liebte, ein Farnbett zu bauen, mich darauf zu legen und einfach nur das frische Grün zu riechen und auch daran, wie ich versteckt unter den Farnwedeln lag, durch die grünen Spitzen in die Baumwipfel schaute und die Sonnenstrahlen zu bewunderte, die das viele Grün in goldenes Licht hüllten.

Aber - was flüstert mir der Farn an diesem 21. Juni? Er erinnert an seine magische Kraft: „Ich baue dir die energetische Brücke zwischen dem was ist und dem was sein wird. Ich schenke dir mein gold-grünes Licht, damit du dich zu deiner vollen Größer erheben und die in dir innewohnende Kraft voll entfalten kannst. So wie sich meine zarten Wedel entrollen, so richte auch du dich auf – erhebe dich zu deinem wahren Sein.

Wurmfarn

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